Eastward | Game On

Wenn sich deine Zukunft schwarz verfärbt

Minenarbeiter John geht auf Potcrock Isle einem fast natürlichen Leben nach. Er hat unter Tage sein Heim, seine Freunde und lebt dort in Sicherheit. Nichts zieht ihn an die Oberfläche. Warum auch? Er hat hier alles, was er braucht. Bis er eines Tages bei seiner Arbeit im Stollen Sam trifft. Das kleine Mädchen mit den langen, weißen Haaren scheint niemanden zu haben, der sich um sie kümmert. Auch wenn John der bärtige, mürrisch anmutende und in sich verschlossene Mann ganz anders wirkt, adoptiert er das Mädchen und nimmt sie wie seine Tochter bei sich auf. Er ermöglicht ihr die Schule zu besuchen und ein Leben, das eines Kindes zu führen. Nichts, was an der Oberfläche passiert, ist hier für die beiden gefährlich.
Doch auch die Kinder in der Schule merken bald, dass Sam anders ist als sie selber. Und auch Sam spürt etwas in ihr, was sie zunächst nicht richtig deuten kann. An einem ganz normalen Schultag bricht allerdings ein Streit aus. Ihre Mitschüler können und wollen nicht akzeptieren, dass Sam wissen möchte, was sich an der Oberfläche befindet. Und wenn man bei der launischen Lehrerin auf der Abschussliste steht, ist es ein leichtes sie daraufhin von der Schule zu werfen. Das Leben hier ist doch schön. Warum sollte man an die Oberfläche wollen und wissen, was dort ist? Nach dem Vorfall eilt John Sam zur Hilfe und gerät damit ins Visier des Bürgermeisters. Ein Mensch, der sehr viel von sich hält.
Sam ist wütend, traurig und enttäuscht, dass sie so behandelt wird. Was ist daran verwerflich wissen zu wollen, was sich dort befindet. Und dann erscheint eine Inkarnation von ihr, die sich selbst aber nicht Sam, sondern “Mutter” nennt. Das doch recht böse wirkende Spiegelbild fordert sie auf, an die Oberfläche zu gehen. Als der Bürgermeister den Vorfall an der Schule zu Ohren bekommt und John dem Mädchen zur Hilfe geeilt ist, werden beide aus Potcrock verbannt. Der Bürgermeister ist immer um das Wohl seiner Gemeinde bemüht. John und Sam werden in einen alten Personenzug namens “Charon” gesteckt und müssen das sichere Leben unter Tage verlassen. Doch oben angekommen, bietet sich ihnen ein ganz anderes Bild …

Die Stimmung im Spiel ist großartig. Und das hier ist nur der Anfang.

Damit habe ich nicht gerechnet

Per Zufall habe ich auf Social Media von Eastward erfahren. Meine Nintendo Switch durfte gerne mal wieder mit neuem Unterhaltungsmaterial versorgt werden und mit so einem Indie Hit habe ich nicht gerechnet. Auch wenn Eastward bereits 2021 vom kleinen Studio Pixpil auf die Gamer losgelassen wurde, ging der Titel irgendwie an mir vorbei. Nachdem ich mir dann einen Trailer angesehen habe, dämmerte leicht etwas in mir. Und das, was ich dort sah, entsprach genau meinen Vorstellungen. Ein Action-Adventure mit RPG-Elementen in einem Cyberpunk Universum. Der Grafikstil, der sich irgendwo zwischen SNES, Cel-Shading und Live A Live auf der Switch trifft. Ein wunderschön anzusehendes Spiel, das auch musikalisch seine Stärken betrifft. Allein die Melodie im Titelbildschirm ist einfach nur gut. Ebenso klingen die Soundeffekte wuchtig, wenn ich z.b. schießt oder eine Bombe zündet. Das es keine Sprachausgabe gibt, hat mich in keinster Weise gestört. Die Texte sind gut geschrieben und dank eines Patch auch mittlerweile in Deutsch zu lesen. Das ist gut so, denn die Story ist nicht 08/15, auch wenn es vielleicht so anmuten mag. Rauher Typ trifft Mädchen, werden ein Team, verstoßen und müssen sich durchkämpfen. Was auf den ersten Blick so wirkt, geht tiefgründiger, mit einigen Wendungen und sogar einer Prise Horror.
Beim Kampfsystem fühlt man sich, wie bei einem Zelda Zuhause. John hat Sam (fast) immer in seinem Schlepptau, eine Bratpfanne als Waffe, kann Bomben legen und Gegner, sowie Wände aufsprengen und Gegenstände craften. Moment eine Bratpfanne? Richtig gelesen, denn John ist auch ein unheimlich guter Hobbykoch und benutzt die gute Teflon Pfanne als Prügel, um sich das Leben gegen seine Feinde leichter zu machen. Doch dabei bleibt es natürlich nicht, denn später findet ihr auch eine Schrotflinte, einen Flammenwerfer und einiges mehr. Auch Sam bekommt nicht nur die Rolle des Laufburschen, sondern darf ihre Psi Künste einsetzen. Sie kann Gegner betäuben, kann bei Rätseln damit helfen und auch Energie wieder aufladen. Diese ist klassisch, wie bei einem Zelda in Herzen unterteilt. Natürlich bleiben diese nicht immer so gering wie am Anfang. Ihr könnt Upgrades in Kisten finden, oder bekommt mehr Energie, wenn ihr Bosse ins Nirwana schickt. Diese sind mit der richtigen Taktik, geschicktem Ausweichen und gut getimten Schlägen eine gelungene Herausforderung. Manche sind schnell durchschaut und relativ einfach, bei anderen wiederum kann es erstmal etwas dauern, bis das Muster ersichtlich ist. Die Rücksetzpunkte sind aber immer fair und an (richtig gelesen) Kühlschränken darf gespeichert werden.

Was koche ich denn heute?

Diese Frage stellt sich John auch und beim craften darf man sich frei austoben. Egal ob ihr Lebensmittel, Gewürze etc. in Shops kauft oder Gegner etwas fallen lassen, könnt ihr an bestimmten Punkten (meistens dort, wo sich auch speichern lässt) kochen. Dort mischt ihr drei Zutaten und ein Gewürz zusammen und seht, was dabei herauskommt. Je nachdem wie opulent das Gericht ausfällt, könnt ihr Herzen zurückgewinnen, greift für eine bestimmte Zeit stärker an oder haltet mehr aus. Bereits gekochte Gerichte werden automatisch gemerkt. Das hat mich im positiven Sinn an Spiritfarer erinnert. Das habe ich zu Beginn des Jahres gespielt und ein Test dazu, befindet sich dazu ebenfalls auf unserer Seite.

Ich mag keine Rätsel. Oder vielleicht doch?

Bei Rätseln bin ich gerne denkfaul. Oft verliere ich schnell die Geduld, möchte mich einfach nur kämpfen und weniger Rätsel bewältigen. Ich wette, das geht dem ein oder anderen von euch auch so. Eastward lässt euch aber trotz clever eingebauter Level nie so ganz dumm aussehen. Auch mich nicht. Gerade hier ist eine gute Teamarbeit zwischen John und Sam wichtig, denn einem von beiden gelingt es nie allein weiterzukommen. Per Tastendruck könnt ihr eine der beiden Figuren auch an wichtigen Schaltern fest positionieren, während man sich auf der anderen Seite durchkämpft, einen anderen Schalter oder im Zusammenspiel auf Zeit den Weg bahnen muss. Selbst Schleichpassagen müsst ihr zusammen bewältigen. Und auch da kam bei mir nur selten Frust auf. Die Knobelfraktion unter euch, kommt auch hier nicht zu kurz.

Bei Eastward gibt es viel Liebe zum Detail

Eine wunderschöne und lebendige Welt

Die Welt von Eastward hat mich direkt in ihren Bann gezogen. Auch wenn der Einstieg unter Tage noch recht gewöhnlich und unspektakulär mit seinen Brauntönen wirkt, entfaltet sich das Spiel an seiner Oberfläche in wahrer Pracht. Egal ob es die liebevollen Charaktere sind, die fast alle ihre eigene Geschichte zu erzählen haben, die Stimmung die bei Durchqueren eines Waldes, eines Dorfs oder einer kleinen Stadt aufkommt, oder selbst die Emotionen, die man tatsächlich in der Gestik und Mimik ablesen kann. Und das, obwohl wir es hier mit “grober” Pixelgrafik zu tun haben. Pixpil hat es tatsächlich geschafft, ein stimmungsvolles Gesamtpaket zu schnüren.

Fazit:

Auch wenn Eastward bereits 2021 veröffentlicht wurde, geht der Award für das Spiel des Jahres 2022 ganz knapp nicht an den Indie Knaller von Pixpil. Selbst wenn hier Elden Ring meinen Platz als Nummer 1 im Herzen eingenommen hat, konnte sich dieses rund 30-stündige Adventure Highlight einen Platz direkt dahinter aussuchen. Ehrlich gesagt habe ich selber nicht damit gerechnet und hätte gut und gerne noch mehr Zeit darin verloren. Wirklich viel habe ich auch nicht zu meckern. Die Welt ist groß, aber ohne zu groß zu sein und zu überfordern, die Charaktere wachsen einem während der Reise ans Herz, das Kampfsystem macht Spaß, selbst den Rätseln kann einem Muffel wie mir etwas abgewinnen, die Karte ist leicht zu lesen, die Welt ist in sich stimmig und die Story bietet Wendungen und Überraschungen.
Das einzige, was mich gestört hat, sind die doch manchmal dürftigen Hitboxen und vor allem die Abstürze des Spiels. Nach rund einem Viertel hat es das Spiel gerne geschafft, euch öfter mal mit einer Fehlermeldung rauszuwerfen. Das ist wirklich ärgerlich gewesen, aber zum Glück habe ich immer dort weiter machen können, wo es mich auf technischer Seite in die Knie gezwungen hat. Bis auf ein paar Trial-and-Error Passagen hat mich hier spielerisch nichts gestört. Also wenn ihr auf der Suche nach neuem Futter für Switch oder PC seid, mit locker 30 Stunden eine gute Zeit verbringen möchtet, dann kommt ihr um Eastward nicht drumherum. Denn wenn ihr es noch nicht kennt, werdet ihr positiv überrascht sein. Mit 25-30 € bekommt ihr auf der Switch dieses Highlight incl. schön gestalteten Aufklebern.

All Pictures by Steam & Official Eastward Wikipedia. Text by Voll Verpixelt

Voll Verpixelt ist Retro Spieler aus Leidenschaft mit dem Hang zum Kuriosen und Ungewöhnlichen, Castlevania Fan und Dark Souls Überlebender. In seinen Beiträgen präsentiert er alte Dinge in neuem Licht und erklärt Hintergründe und Geschichten.

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