Vier Freunde auf dem Weg die Welt zu retten
Fällt der Name Earthbound kommt so ziemlich jedem Retrosammler und Spieler ein Wort in den Sinn: Teuer.
Genau das war immer mein Problem mit diesem Spiel. Ich wollte es unbedingt in meiner Sammlung haben und spielen, aber Preise von über 1000 € haben diesen Wunsch immer ins Reich der Fabel geschickt. Earthbound ist so ein Spiel was fast jeder Sammler vielleicht nur einmal zu Gesicht bekommt, geschweige es denn überhaupt in seine Sammlung aufnehmen kann. Selbst das Modul kostet alleine mehrere hundert Euro und wenn man keinen Dukatenesel Zuhause hat, dann ist es mehr als schwierig es sich leisten zu können. Geht es euch „nur“ darum es zu zocken, könnt ihr als Alternative ein SNES Mini kaufen, auf dem es vorinstalliert ist, oder es per Virtual Console auf der Wii U oder dem 3DS spielen.
Für einen bekloppten Sammler wie mich ist es aber der Traum das es im Regal steht. Und manchmal geschehen noch Wunder und in meinem Fall war es ein Zufall in einer FB-Gruppe. Man kam eigentlich nur ins Gespräch und seine Frage war, welche Version er behalten soll. Die mit dem kleinen Abriss auf dem Cover oder unter der Seite. Ich riet ihm dazu eher das mit dem Abriss unten auf der Seite zu nehmen. Fällt halt nicht so schnell auf wie ein Abriss auf dem Cover. Ich persönlich sagte ihm, das ich auch gar nichts gegen die andere Version hätte. Per PN kam man dann ins Gespräch und er fragte mich, ob ich es kaufen möchte. Ich wollte nicht unverschämt sein und bot ihm eine ordentliche Summe, die aber dennoch weit unter den üblichen Marktpreisen liegt. Was soll ich sagen? Er willigte ein, weil er merkte, dass es mir nicht nur ernst ist, sondern das ich es auch wirklich spielen möchte. Nach den üblichen Modalitäten kam es ein paar Tage später per Post. Der Berater nur leicht wellig auf ein bis zwei Seiten, alle Sammelkarten vorhanden und nichts herausgetrennt. In der OVP fehlte das Inlay, aber das wusste ich alles bereits von ihm. Ansonsten sucht man so einen Zustand auch mit einem kleinen Abriss vergebens. Die letzten Exemplare die angeboten wurden, sahen wesentlich schlechter aus. Man kann sich nicht vorstellen wie nervös ich war als ich es ausgepackt habe.
Erst gestern habe ich es nach rund anderthalb Wochen zum ersten Mal beendet. Ob es einen so hohen Preis überhaupt rechtfertigt, erzähle ich euch hier.
Der Schein trügt
Sieht man Screenshots von Earthbound und weiß nicht, um was es sich handelt, dann könnte man denken, dass es in die Pokemon Richtung geht. Und das ist auch gar nicht so abwegig, denn Produzent Shigesato Itoi war später an Pokemon Spielen involviert. Der Betrachter denkt bei Earthbound Screenshots an kindlich, knuffig und süß. Aber es ist soviel mehr als das.
Als Hauptcharakter Ness mitten in der Nacht des kleinen Städtchen Onett im Haus seiner Eltern aufwacht, merkt er schnell das etwas nicht stimmt. Von einem lauten Geräusch von draußen geweckt, steht er auf und sieht wonach passiert ist. Papa ist nur selten Zuhause, Mama, Schwester und Hund wissen auch nicht was vor sich geht. Draußen tönen Sirenen und Ness macht sich auf der Sache auf den Grund zu gehen. Oben auf dem Hügel ist ein Meteorit abgestürzt und überall steht Polizei herum, um die Unfallstelle abzusichern. Als er an einer Straßensperre ankommt, steht dort neben den Polizisten auch Pokey Minch, ein Freund und Nachbarsjunge von Ness. Er sagt zu ihm das alles unter Kontrolle sei und er wieder nach Hause gehen soll. Später in der Nacht klopft es wie wild unten an der Haustür. Als Ness öffnet, steht Pokey davor der seinen Bruder Picky vermisst. Sie suchen und finden ihn in der Nähe des Meteors. Schlafend an einen Baum gelehnt. Wo sie schonmal da sind, können sie sich das ganze Ausmaß des Schadens einmal ansehen. Als sie auf den Meteor blicken erscheint ein kleines fliegendes Insekt mit dem Namen Buzz Buzz. Es erzählt ihnen das es aus der Zukunft stammt und das der kosmische Zerstörer Giygas kommen und den heimatlichen Planeten übernehmen wird. Das Insekt merkt das Ness ein ganz besonderer Junge ist und bittet ihn sich auf die Reise zu machen und die acht Heiligtümer zu suchen. Mit der Kraft von Ness und den Heiligtümern könnte der Junge es schaffen Giygas aufzuhalten und das Ende ihrer Welt abzuwenden. Als das Insekt zusammen mit Ness, Pockey und Picky bei deren Eltern auftaucht, wird Buzz Buzz getötet. Pockeys und Pickys Mutter hält das kleine Insekt für einen nervigen Schädling. Zumindest weiß Ness jetzt was zu tun ist.
Viel tiefer möchte ich jetzt gar nicht auf die Geschichte eingehen, sondern auf die Welt und seine Begebenheiten. Ness bleibt nicht alleine, sondern trifft bei seiner Reise noch auf das Mädchen Paula, die starke psychische Kräfte besitzt und Ness so zur Hilfe ruft. Sie schließt sich ihm ebenso an wie Jeff der Sohn des berühmten Professors Dr.Andonuts. Und zu guter letzt ist da noch Poo, ein Prinz aus dem fernen Land Dalaam. Bis auf Jeff besitzen alle Charaktere Psychic Points verwenden und somit einige Zauber verwenden, wie man es in diversen anderen Rollenspielen kennt. Angreifen, Heilen oder auch Schilde nutzen gehören für Ness, Paula und Poo zum Standart. Jeff verfügt zwar nicht über solche Kräfte, ist aber der Gescheiteste der Runde und kann wichtige Dinge reparieren und z.b. gekaufte Raketen aller Art abfeuern. Dazu sind die anderen drei Köpfe nicht in der Lage.
Alles wie immer?
Wie es in einem Rollenspiel nun mal Brauch ist, werden diese Fähigkeiten verbessert und ausgebaut, sobald sich ein Level eines Charakters erhöht. Und je schwieriger und härter ein Gegner, umso mehr Erfahrungspunkte kann man abstauben. Gegner lassen auch gerne mal einen Gegenstand fallen, bringen euch aber kein Geld ein das ich neue Items oder anderweitige Gegenstände kaufen könnt. Das Earthbound so anders ist als andere Rollenspiele macht sich an euer Rüstung, euren Waffen und an der Welt bemerkbar. Wer jetzt denkt das Ness und Poo mit Schwertern bewaffnet, Paula alles in Grund und Boden zaubert und Jeff mit Panzerfäusten angreift, wird eines Besseren belehrt. Hier gibts zu Anfang keinen Helm, sondern eine Baseball-Cap, Paula holt im Nahkampf die Bratpfanne raus, Poo mit bloßen Händen und Jeff spioniert Feinde aus und operiert mit Waffen, die er findet und mit steigendem IQ wieder instant setzten kann.
Die Welt ist auch eher abgefahren, weil sie so normal ist. Das klingt komisch, ist aber so. Wer denkt, dass er auf einem fernen Planeten permanent Aliens in den Arsch tritt, der findet Onett oder Twoson vor. Kleinstädte in einem fiktiven Amerika. Um Energie aufzufrischen, checkt ihr im Hotel ein, zieht euch Taschengeld am Automaten, dass Papa euch schickt und telefoniert mit ihm, wenn ihr speichern wollt. Weitere Ansprechpartner sind eure Mama die erzählt wie anstrengend Hausarbeit ist, eure Schwester die nebenbei bei einem Liefer- und Abholservice arbeitet (dort können Gegenstände eingelagert und wieder hervorgeholt werden) oder lasst euch Pizza liefern, um die Party zu heilen.
Krasse Energietränke und Heilitems die stärkere Alienangriffe heilen? Die Wahrheit lautet Sandwiches im Supermarkt oder Croissants beim Bäcker. Mutanten und Ausgeburten der Hölle? Stellt euch zunächst erstmal auf Kämpfe gegen Hunde, Schlangen, Raben oder durchgedrehte Hippies ein. Durchgeknallte Omas die mit Handtaschen attackieren gehören ebenso zum Alltag in der Stadt wie abgedrehte Taxis oder Feuerhydranten. Hört sich abgefahren an und ist es auch. Aber gerade, weil es sich so anders spielt als ein Shadowrun, Secret of Mana oder Breath of Fire verspürte ich diesen frischen Wind. Heute schreit der geneigte Spieler nach etwas Neuem, was er noch nicht kennt oder gespielt hat. Ein Spiel wie Earthbound habe ich noch nie gespielt und wir reden von einem Game das 1994 in Japan und 1995 in Amerika released wurde. Großartig und auch so anders ist die Musik. Hier mischt sich Ambient mit Blues und Jazz und mündet sogar im Metal. Manchmal durch bizarre Sprachsamples noch im Topping gewürzt.
Letzte Worte
Was ich als etwas Schade empfand, sind die Kämpfe aus der Sicht des Spielers. Ich mag es mehr, wenn ich sehe, wenn mein Protagonist zuschlägt. Hier sehe ich den Gegner auf dem Bildschirm, den Namen meiner Charaktere, deren Energieleiste der wie mein ehemaliger Stromzähler aussieht und darunter die PP (Psychic Power) Leiste. Charaktere sterben auch nicht sofort, sondern der Zähler rattert herunter und erst gegen null segnet er das Zeitliche. Ihr habt immer noch die Möglichkeit, wenn ihr schnell handelt auch bei starken Angriffen entgegenzuwirken. Eins kann ich euch sagen, der Einstieg ist nicht gerade leicht und wer über Hunde, Raben oder Schlangen lacht, der wird böse gebissen, die Augen ausgehackt oder vergiftet, dass ihr danach ins Krankenhaus dürft. Die Möglichkeit einen verstorbenen Charakter wiederzubeleben, oder schon so krasse Items nutzen können, um dies zu tun sind da noch nicht gegeben. Geht ein Charakter drauf, nutzt es euch auch nichts ins Hotel zu gehen und eine Runde schlafen zu gehen. Da müsst ihr ab ins Krankenhaus und für den Anfang noch viel Geld bei der Krankenschwester lassen. Für andere Wehwehchen, die sich nicht einfach in Luft auflösen, gibt es den Doktor oder Heilpraktiker. Also fast wie im richtigen Leben.
Selbst in der Wüste muss man beim Betreten der selbigen aufpassen keinen Sonnenstich zu bekommen. Auch das muss geheilt werden, sonst wird euch nach und nach immer etwas Lebensenergie abgezogen. Kleine Vororte, Städte, eine Wüste, der Sumpf, Dungeons und irgendwann kommt der Moment wo ihr euch fragt: WTF!? Es wird ab einem bestimmten Moment sehr bizarr und genau dann werdet ihr verstehen, warum Earthbound nicht das X-beliebige Rollenspiel ist wie ihr es aus dieser Zeit gewohnt seid. Ich möchte aber auch hierauf nicht weiter eingehen und hoffe eher das ihr dieses wundervolle Stück Videospiel Kunst selber erleben möchtet. Schon alleine dafür lohnt sich der Kauf eines SNES Mini. Und wer denkt, dass es nicht noch bizarrer werden kann, der stand noch nicht Giygas gegenüber. Spätestens dann werdet ihr verstehen, was ich meine. Denn es ist nicht immer nur das wie, sondern auch das Warum.
Stolze fünf Jahre Entwicklungszeit benötigte Earthbound bis zu seiner Fertigstellung. Gerade in der damaligen Zeit ist das schon ein beachtlicher Zeitraum. Das Gesamtkonzept wurde von Itoi in Zusammenarbeit mit Nintendo, Ape Inc. und Hal Laboratory auf die Beine gestellt. Gerade Hal dürfte dem ein oder anderen von euch noch ein Begriff aufgrund der Kirby Spiele sein. Itoi sagte damals auch aufgrund der langen Entwicklung, das Earthbound für ihn ein Projekt darstellte, dass er zum Scheitern verurteilt empfand. Zudem kümmerten sich um die Programmierung Ape und Hal um das Design. Mitarbeiter mussten aufgrund des Austausches am Spiel zwischen den Studios hin und herfahren um zu arbeiten.
Der Erfolg in den USA blieb hingegen aus und Earthbound verkaufte sich nur halb so gut wie in Japan. Gerade in Japan wurde eine große Marketing-Kampagne für das Spiel gestartet, seine im Lösungsbuch vorhandenen Duftkarten empfand ich heute wie gestern als cooles Gimmick und der Einführungspreis war zu seiner Zeit um einiges günstiger als andere Titel. Die Fachpresse lobte das Spiel als eins der originellsten Rollenspiele der 90er Jahre.
Ich sage euch das sie verdammt Recht damit haben und ich keinen Cent davon bereue dafür ausgegeben zu haben. Zum Schluss erzähle ich euch nämlich noch eine ganz andere Anekdote zum Spiel, was es so auch nur zum Original gibt. Earthbound besitzt einen einzigartigen Kopierschutz, der seinesgleichen sucht. Während ihr das Spiel mit der Original-Kassette spielt, wird die Legitimität ständig überprüft. Wenn festgestellt wird das es sich um ein nicht autorisiertes Duplikat handelt, dann werden Gegner mit einer ungewöhnlich hohen Rate als gewöhnlich erzeugt. Falls ihr es dennoch schafft Endboss Giygas zu erreichen, dann friert das Spiel mitten im Kampf ein und eure gespeicherten Daten werden dauerhaft gelöscht.
Da sag noch einer das es damals einfach war den Kopierschutz zu umgehen.
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