Virtual Boy – Nintendos Vorstoß in die virtuelle Realität | Game On

Der japanische Virtual Boy

In den 90er Jahren ist „Virtual Reality“ in aller Munde.

Bilder von klobigen Brillen, die ein echtes 3D Gefühl vermitteln sollen, geistern durch die Medien. SEGA probierte das schon mit der Master System 3D Brille. Die Brille hat zwei LCD Gläser, die separat zwischen durchlässig und undurchlässig umgeschaltet werden können. Damit lässt sich das rechte oder linke Auge abdunkeln. Ähnlich wie bei einem Sehtest eures Optikers. Das linke und rechte Bild wird dann auf eurer Bildröhre abwechselnd angezeigt. Die Brille wird dann synchron das passende Bild zum jeweiligen Auge durchlassen. Das ermöglicht ein stereoskopisches Sehen. Sie arbeitet nach dem Field Sequential 3D Prinzip, welches die Framerate eines jeden Spiel halbiert. Das führt beim Spielen zu subjektiven Ruckeleinlagen. Gerade einmal rund 10 Spiele sind für diese Brille erschienen.

Das mit Nintendo, einem der weltweiten Marktführer der Videospielindustrie dieses Vorhaben eines „echten“ 3D Gefühls ebenfalls nicht klappen sollte, weiß man bei Beginn der Forschung noch nicht. Konsolenhersteller nehmen die Forschung auf, um stereoskopische Grafik für Jedermann zu ermöglichen. Denn was bringt einem neue Technik, wenn sie Aufgrund von horrenden Preisen wie Blei in den Verkaufsregalen liegt. Nintendo entscheidet sich gegen CD Hardware (was ja nichts Neues ist) und setzt auf eine Konsole mit Stereo Grafik. Man geht dieses Vorhaben groß an mit amerikanischer LED-Technik und 32-Bit-Chip Technologie von NEC (siehe PC Engine). Dazu setzt man mit der Leitung des Game Boy Erfinders Gunpei Yokoi auf einen der besten Jockeys im Big N Stall. Man entwickelt also ein doppeltes Display- eins für jedes Auge. Da Yokoi Spezialist für mobiles Spielzeug und neuartige Konsolen ist, erhofft man von ihm einen Durchbruch in der „Virtual Reality“. Dieses Vorhaben steht aber unter keinem guten Stern, denn man verzichtet aus Kostengründen auf eine Farbdarstellung. So bekommt man als Spieler nur die zwei Farben rot und schwarzzusehen. Mit einem Gewicht von rund 760g ist der Virtual Boy auch kein Leichtgewicht, zumindest nicht für eine längere Tragbarkeit auf dem Kopf.

Return Ausgabe 34 – mein Artikel auf der Titelseite

Dank dieses Gewichts und einigen Sicherheitsbedenken der Entwickler, entscheidet man sich dazu, die Brille nicht auf dem Kopf zu tragen, sondern konzipiert einen Standfuß, mit dem die „Taucherbrille“ verschraubt wird. Von einem „freien“ 3D Gefühl kann hier also nicht die Rede sein. Im Gegensatz zu anderen 3D-Brillen, ist das Gerät also eine unbewegliche Tabletop-Konsole auf Stelzen. Zwar sind die Brillen von SEGA oder Vectrex ebenfalls Kabelgebunden, vom Gewicht her aber besser zu tragen und ohne Standfuß nutzbar. Keine Frage der 3D-Eindruck des Virtual Boy ist gut, doch lange Sitzungen werdet ihr hiermit nicht starten können. Er strapaziert doch arg die Augen, Rücken und den Nacken. Komfortables und angenehmes Spielen sieht anders aus. Bereits vor dem Release erntete man Hohn und Spott für das Gerät. Im Sommer 1995 erscheint dann der Virtual Boy auf dem Markt und die Verkäufe sind katastrophal. Gerade Nintendo, die oft einen langen Atem haben, zeigen sich unzufrieden und widmen sich angesichts der geplanten Einführung des N64 dem Virtual Boy kaum noch.

Obwohl er im Sommer 1995 erscheint, schenkt man ihm im Herbst des selbigen Jahres auf der Hauseigenen Shoshinkai-Show kaum noch Beachtung. Das macht sich gerade an der zur Verfügung gestellten Fläche bemerkbar. Nach nur einer Handvoll Spielen widmet sich weder Nintendo, noch die Drittanbieter Atlus, Kemco und Hudson weiterer Software. Und obwohl Nintendo gerade in Europa immer gute Verkäufe generiert hatte, verschob man das Release des Virtual Boy dort, um dann letztendlich ihn dann ganz abzusagen. Offenbar glaubte man dort nicht höhere Verkaufszahlen anzupeilen. Das ganze drückte sich in Zahlen wie folgt aus: In Japan kalkulierte man einen Absatz von 250.000 Geräten. Der tatsächliche Absatz lag bei rund 140.000 Stück. Ein absolutes Desaster und in den Augen von Nintendo kein Grund ihn über den Tellerrand zu schicken. Zum Start kostet die Konsole stolze 180 US-Dollar, ein Jahr später wird sie für 100 US-Dollar verramscht. Seinen langjährigen Arbeitgeber hat Gunpei Yokoi zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen…. Der persönliche Eindruck: Ich habe vor ein paar Monaten den Virtual Boy in einer FB-Börse erworben. Zusammen mit fünf Spielen. Er stand schon länger auf meiner Liste, habe ihn aber bei den Retrobörsen im Ruhrgebiet entweder „verpasst“ oder der Preis war mir einfach zu hoch.

Mein damaliges VB-Set

Das Gerät zusammenzubauen war in recht kurzer Zeit erledigt und dank eines schon vorhandenen Spannungswandlers und dem beiligenden Netzteil für mich direkt ohne Batterien nutzbar. Da ich ein 110 Volt Netzteil verwende, ist ein Wandler notwendig. Der Controller ist wirklich gut verarbeitet und liegt angenehm in der Hand. Mittels Plug and Play ganz einfach an den Virtual Boy anzuschließen. Auf der Oberseite befinden sich links und rechts ein Digipad, sowie links der Select + Start Button. Neben dem rechten Digipad findet ihr die Tasten A+B. Oben in der Mitte liegt auf dem Pad der Ein- und Ausschalter, was ich sehr komfortabel finde und nicht am Gerät umständlich gesucht werden muss. Auf der Unterseite sind noch ein L und ein R-Button zu finden. Das Batterie-Fach ist bei mir wie erwähnt leer, da ich dort das Stromkabel direkt einstecken kann. Ansonsten benötigt ihr für den Virtual Boy 6 AA Batterien die rund 7 Stunden durchhalten oder aber ihr nutzt ein Netzteil, das wiederrum nur in Japan oder den USA erschienen ist. Das Gerät ansich macht einen recht gut verarbeiteten Eindruck. Nur der Focus Regler auf der Oberseite knarzt beim Betätigen doch recht unschön. Zudem fühlt er sich schwergänig an. Der hintere ist übrigens dafür da, um den Focus einzustellen, der andere um das Bild zu zentrieren. Neben dem Lautstärkeregler an der Unterseite findet ihr daneben auch einen Anschluss für Kopfhöhrer. Das Schaumstoffvisier soll dafür sorgen, dass keine störenden Lichtquellen von außen eindringen. Der Playlink Port der sich neben dem Controller Steckplatz befindet sollte für ein Linkkabel dienen, welcher einen anderen oder mehrere VBoys verbinden sollte. Dass man nie gemeinsam damit spielen konnte, lag daran, dass dieses Kabel dafür nie produziert worden ist. Der Port ist somit unbrauchbar für euch. Die schlanken und recht kleinen Module werden vorn am Port in den Virtual Boy geschoben. Sie lassen sich leicht einstecken und wieder entfernen. Der Sound kommt klar und satt über 16-Bit Stereo Sound an. Da gibt es wirklich nichts zu bemängeln.

Return Ausgabe 34 – auf 8 Seiten erfahrt alles Wissenswerte über den Virtual Boy

Die Spiele, die bei meinem Virtual Boy dabei waren, sind Vertical Force, Red Alarm, Galactic Pinball, Mario’s Tennis und Panic Bomber. Interessant waren sie alle irgendwie, aber der 3D-Effekt bei dem einen ausgeprägter als bei dem anderen. Wirklich begeistern konnte mich Mario’s Tennis. Der Tiefeneffekt der einen künstliches 3D erzeugt wurde prima eingefangen. Gerade wenn der Ball auf euch zugeflogen kommt, muss man sich erstmal daran gewöhnen. Das Spiel kommt mit etlichen Charakteren aus dem Mario Universum daher und bietet tollen Tennisspaß. Definitiv ein Pflichttitel, auch wenn man mit Sport nicht viel anfangen kann. Panic Bomber und Galactic Pinball erwähne ich nur kurz. Hier bekommt man einen Tetrisclon im Bomberman Universum, bei Galactic Pinball ein Pinball Spiel, dass euch ein paar Tische in einem Weltraum Universum beackern lässt. Bei beiden Spielen fand ich den 3D-Effekt nicht ganz so ausgeprägt. Red Alarm kann man am besten mit Star Fox vergleichen. Das Spiel verwendet übrigens beide Steuerkreuze. Eins zum navigieren und das andere zum Ausweichen. Mit dem L+R Button wird geschossen. Vier Blickwinkel bietet euch die Ansicht, die Umschaltbar ist. Hinten, weiter hinten, schräge Vogelperspektive und sogar eine Ego-Ansicht. Der 3D-Effekt ist ziemlich gut erkennbar und gehört zu den Highlights auf dem System. Wenn gleich der 3D-Effekt nicht so ausgeprägt ist wie bei Red Alarm, ist gerade die Grafik bei Vertical Force von Hudson Soft ein Highlight für mich. Es mutet zwar wie ein normales Shoot `em Up an, bietet aber einen richtig tollen 3D-Tiefeneffekt. Gerade per Knopfdruck in einer tieferen Ebene zu fliegen macht unheimlich Spaß und lässt feindlichen Schüssen (gekonnt) ausweichen. Gerade bei Bosskämpfen ein taktisches Element.

Eine kleine Auswahl der doch recht mageren Spielbibliothek

Fun Fact: Der Virtual Boy hieß nicht immer Virtual Boy. In der Entwicklungszeit trug er den Namen VR 32. Fazit: Kann man mit dem Virtual Boy, einem der größten Nintendo Flops der Geschichte Spaß haben? Ich sage: Ja! Gerade wer die Anfänge von 3D einmal fernab von heutigem Virtual Reality erleben möchte, sollte hier zugreifen und die Geschichte von damals erleben. Wer nur mal eben reinschauen möchte, dem rate ich allerdings dazu, wenn möglich bei Freunden oder auf Börsen Probe zu spielen. Dafür sind die Preise einfach zu stark gestiegen. Für eine Original verpackte Taucherbrille, seid ihr gut und gerne mal bei 250 €. Spiele kosten je nach Zustand und Umfang zwischen 20 und 50€. Ein evtl. angestrebtes Fullset ist bei gerade mal 22 Spielen in greifbarer Nähe, teure und seltene Titel machen euch da aber auch gerne einen Strich durch die Rechnung. Ein Spiel wie Water World ist nun mal seltener als ein Mario’s Tennis und sprengt gerne mal die 100 € Marke. Wer allerdings durch dieses Review auf den Geschmack gekommen ist, Nintendo Sammler und über ein wenig Goldmünzen verfügt, dem rate ich dazu dieses Gerät in die Sammlung aufzunehmen. Damals Hohn und Spott bekommen und einer der kommerziellsten Flops, heute ein begehrtes Sammlerstück gerade unter Nintendo Fans und Konsolensammler, der etwas „anderen Art“ fernab vom Mainstream.

Virtual Boy Technische Daten:

Veröffentlichung: Jap/US 1995, EU nicht erschienen
Verkaufte Einheiten: ca. 800.000
CPU: 32 Bit NEC V810 RISC 16-Bit Stereo Sound Modulbasierend
Max. Auflösung 384 × 224

Erfolgreichtes Spiel: Mario’s Tennis

Der kommerziell erfolgreichste Titel – Mario’s Tennis

Pro:

– toller Controller der Super in der Hand liegt
– klarer und satter 16-Bit Stereo Sound
– Spiele lassen sich am Pad Ein- und Ausschalten
– 3D-Effekt erkennbar
– getestete Spiele fühlten sich gut an
– Gerät und Controller sind recht ordentlich verarbeitet

Contra:

– nach rund einer halben Stunde fühlten sich die Augen müde an/leichte Übelkeit
– Standfuß wirkt recht billig, kann nicht in der Höhe verstellt werden
– oft kein echtes 3D
– Controller Kabel viel zu kurz
– durch zu hohes Gewicht kein tragen am Kopf möglich/nur per Standfuß nutzbar
– geringe Spielauswahl
– aus Kostengründen werden nur die Farben schwarz und rot dargestellt
– Grundgerät recht teuer in der Anschaffung

Voll Verpixelt ist Retro Spieler aus Leidenschaft mit dem Hang zum Kuriosen und Ungewöhnlichen, Castlevania Fan und Dark Souls Überlebender. In seinen Beiträgen präsentiert er alte Dinge in neuem Licht und erklärt Hintergründe und Geschichten.

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